Wenn kleine Nachwuchskicker eines von Anfang an schon sehr gut können, dann ist es das Jubeln. Das kennt Gianluca Atlante schon. Der Jugendtrainer im Auftrag des Hamburger Sportvereins nimmt es mit einem Lächeln, schenkt dem Schauspiel in der Regel aber lieber nicht allzu viel Beachtung. Das Posen gehört schon früh dazu, das gucken sich die Jüngsten eben von den Alten ab, von denen im Fernsehen oder von denen im Kickers-Stadion. Da Letzteres zuletzt eher selten vorkommt, orientieren sich die Fußballer von morgen lieber an den ganz Großen der Branche. „Ja, einen Ronaldo-Jubel hatten wir hier auch schon – gleich am ersten Tag“, sagt Atlante. Auch der mit beiden Händen vor der Brust geformte komische Vogel eines gewissen Herrn Lewandowski war am Donnerstag auf dem Blau-Weiß-Rasen bereits deutlich zu erkennen.
Seit Beginn der Woche ist der 25-jährige Atlante mit seinen Kollegen und Zanek Swyter im Dienste der „HSV-Fußballschule“ zu Gast auf dem Gelände von Blau-Weiß Borssum. Ihr Auftrag: Die jungen Kicker zwischen sechs und 13 Jahren sollen Spaß haben, sollen ein paar Tricks und Kniffe des Fußballspiels lernen, vor allem aber auch den Teamgeist spüren. 42 Jungs und ein paar wenige Mädchen haben sich diesmal angemeldet. Fußball mit Halbpension sozusagen. Zwei „Trainingseinheiten“ am Tag plus Mittagessen. Dafür haben die Eltern 187 Euro ausgegeben. Im Gegenzug gibt es dafür nicht nur eine sportliche Gruppen-Betreuung, sondern auch ein HSV-Trikot samt Hose, Stutzen, eine Trinkflasche und einen Ball. Und ganz am Ende noch einen Pokal. Was will ein Fußballer-Herz mehr? Hier schert niemanden, dass der HSV sportlich auch nicht mehr das ist, was er mal war.
Nicht so gut an kommt bei den jungen Trainern mit der Raute auf der Brust die Schwalbe, manchmal kombiniert mit einem Wälzer auf dem Rasen und einem schmerzverzerrten Gesicht. „Wenn wir dann quer über den Platz rasen, um nachzusehen, und wir hören dann ‘Ich bin Neymar’, finden wir das nicht so toll“, sagt Atlante, der im richtigen Leben Sportmarketing und BWL studiert und nebenbei in Schleswig-Holstein erfolgreich Jugendmannschaften trainiert hat. Ihm ist natürlich bewusst, woher der Nachwuchs das hat. Aber: „Die Kids sollen sich das Gute abschauen, nicht das Schlechte.
Dennoch kommt auch die HSV-Fußballschule nicht ohne das gängige Branchen-Kauderwelsch aus. Da geht es „2 gegen 2“, „3 gegen 3“, da wird „Dynamik“ gefordert oder auch mal „Brust raus“. Da muss „Druck“ gemacht, Hütchen umkreist, der Kumpel umspielt und der Plastikkegel an der Strafraumgrenze getroffen werden. Auch Wettkampf soll sein, aber bitte nicht so verkniffen.
Aber sind 187 Euro nicht ganz schön viel Geld? „Dafür gibt es ja auch die Ausrüstung, Mittagessen und die Eltern wissen ihre Kinder für ein paar Stunden gut aufgehoben“, sagt der Fußball-Vorstand von Blau-Weiß Borssum, Marco Münkewarf. Blau-Weiß ist nur Gastgeber und verdient an der ganzen Sache nichts, außer vielleicht ein bisschen Renommee. „Wir sind ein Familienverein, da gehört so ein Angebot dazu.“ Er und sein Team, zum Beispiel die „Tresen-Crew“, die nach den Pausen das Geschirr wieder wegräumt und noch durchfegt, machen das ehrenamtlich, selbst wenn ein Großteil der jungen Fußballspieler da draußen gar nicht aus dem eigenen Verein, sondern aus der gesamten Umgebung kommt.
Am Freitag ist Schluss. Dann kommen die Eltern, dürfen einem kleinen Turnier zuschauen, können sehen, wie ihre kleinen Stars professionell „auflaufen“ und tricksen. Wenn sie viel Glück haben, sehen sie einen Ronaldo auf dem Platz von Blau-Weiß.